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13 November 2025

Push oder Pull, zwei Ansätze zur Distribution

Hybride Push/Pull-Modelle und Omnichannel-Strategien prägen die agile Fashion & Luxury Supply Chain der Zukunft.

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13 November, 2025
Push oder Pull, zwei Ansätze zur Distribution
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Wandel in der Fashion & Luxury Supply Chain: Push, Pull und die neue Realität

Wenn man sich eine Lieferkette vorstellt, denkt man meist an ein Modell, bei dem die Käufe der Konsumenten eine Nachfrage erzeugen, die sich entlang der Lieferkette nach oben bewegt. In diesem Szenario wird der Bestand, der an den Endkunden verkauft wurde, aus dem Lager des Geschäfts aufgefüllt. Dies löst wiederum Nachbestellungen entlang der Lieferkette bis zur Produktionsstätte aus. Der physische Warenfluss verläuft vom Werk zum Geschäft, während Informationen und Verkaufsprognosen in umgekehrter Richtung fließen.

Doch wie im Artikel „Fashion & Luxury nach Covid-19: Supply Chain Planung und Kollaboration sind keine Option mehr“ beschrieben, verändert sich die Realität dieser Branche rasant. Die Transformationsprozesse, die bereits begonnen hatten, beschleunigen sich weiter.

 

Ist das klassische Pull-Modell noch anwendbar?

Sara Magnani, Solution Architect Fashion & Luxury bei der sedApta Group, erklärt: Das Pull-Modell eignet sich für Branchen mit kontinuierlichen Produkten und gleichbleibendem Konsumverhalten – etwa bei Gütern des täglichen Bedarfs. Die Welt verändert sich jedoch. Besonders im Fashion & Luxury Bereich hat die Pandemie die Transformation beschleunigt. Das passende Geschäftsmodell ist heute ein hybrides Push/Pull-Modell, abhängig von Saisonzyklen und Produkttypen.

 

Einfluss von Saisons und Kollektionen auf die Lieferkette

Die Allokation hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen – insbesondere in der Mode und im Einzelhandel, wo Wetter und Verkaufszeiträume entscheidende Faktoren sind. Während früher zwei Hauptsaisons dominierten (Frühling/Sommer und Herbst/Winter), hat sich das Modell durch Fast Fashion (z. B. Zara, H&M) hin zu monatlichen Kollektionen gewandelt.

Merchandiser planen Kollektionen im Voraus und verteilen die Ware (Push) zu Saisonbeginn in die Geschäfte. Der Verkaufsstart ist nicht exakt vorhersehbar, aber das Verhalten (Start, Peak, Restbestand) wird prognostiziert. So wird nur die Menge geliefert, die für die Präsentation und den Verkaufsstart notwendig ist.

 

Push vs. Pull: Das Gleichgewicht

Basierend auf Erfahrungen mit Fashion-Kunden deckt die Initialallokation meist 20–50 % der geplanten Verkäufe ab – abhängig von Shopgröße, Produkttyp und erwarteter Nachfrage. Ein Beispiel sind Kinderwagen: saisonale Produkte mit hohem Platzbedarf, deren Erstverteilung auch die Kapazität des Geschäfts berücksichtigen muss.

Der restliche Bestand wird entlang der Lieferkette (zentrale/regionalen Lager) nach tatsächlichem Verkauf (Pull) bewegt. Diese Entkopplung ist entscheidend für Umsatzmaximierung und wird als Demand Driven Distribution bezeichnet.

 

Events, Aktionen und Abverkäufe: Welche Logik greift?

Verkaufsereignisse wie Weihnachten, Neujahr, Ostern oder Valentinstag erzeugen schnelle Nachfragepeaks, die direkt nach dem Event wieder abfallen. Die Produkte stammen entweder aus speziellen Kollektionen oder sind saisonale Artikel, die Monate im Voraus in begrenzter Menge produziert werden – basierend auf historischen Daten.

Ein Pull-Modell ist hier nicht praktikabel, da die Zeit zur Nachlieferung zu knapp ist. Auch bei Promotions ist ein reines Pull-Modell ungeeignet, da neue Displays und Verkaufsflächen kurzfristig bestückt werden müssen.

Bei End-of-Season-Sales hingegen wird der Lagerbestand vollständig in die Shops verteilt, in denen die Verkaufswahrscheinlichkeit am höchsten ist.

 

Herausforderungen bei der Push-Strategie

Ein zentrales Problem ist die simulative Allokation: Die Verknüpfung von Lagerbeständen – insbesondere zukünftigen Beständen (in Transit, Einkauf, Produktion) – mit Kundenaufträgen (Shops als Kunden) ist komplex. Ohne geeignete Software sind Engpässe kaum frühzeitig erkennbar.

Moderne Tools ermöglichen nicht nur das gezielte Pushen von Lieferanten, sondern auch die Simulation und proaktive Lösungssuche – für mehr Effizienz (höherer Umsatz durch schnellere Lieferung) und geringere Kosten (weniger teure Expresslieferungen).

 

Omnichannel und die Rolle des E-Commerce

Die Pandemie hat das Thema Omnichannel-Vertrieb ins Zentrum gerückt. Es ist heute ein Schlüsselkonzept für die Retail-Lieferkette, da sich das Kaufverhalten der Konsumenten stark verändert hat.

Die Leistungsüberwachung der Vertriebskanäle und die daraus resultierende Neustrukturierung logischer Lager sind entscheidend für ein funktionierendes Multichannel-System. Dafür braucht es IT-Werkzeuge, die Entscheidungen unterstützen und die Auswirkungen unterschiedlicher Allokationsstrategien auf Umsatz und Servicelevel simulieren können.